Du bist seit über 20 Jahren politisch aktiv, seit 2015 Nationalrätin. Wie bist du in die Politik gekommen und was reizt dich daran?
Ich war schon immer ein politischer Mensch, bereits in der Kantonsschule habe ich über Abstimmungen diskutiert, auch als ich noch nicht stimmberechtigt war. Später präsidierte ich das Studentenparlament an der HSG und mit 27 trat ich der FDP bei. Dass sich in der Schweiz jeder, der will, politisch beteiligen kann, finde ich grossartig. Das empfehle ich allen, die nur am Stammtisch (oder heute in Internetforen) Sprüche über «die Politiker» machen, sich selbst aber nicht engagieren.
Digitalisierung im Gesundheitswesen ist spätestens seit der Corona Krise in aller Munde, offensichtliche Mängel sind zum Vorschein gekommen. Wo harzt es?
Es ist absurd: Die Schweiz steht in der Rangliste der innovativsten Staaten seit Jahren an der Spitze, aber jetzt, wo es darauf ankommt, harzt es bei der Digitalisierung. Der Kantönligeist ist hinderlich. Das elektronische Patientendossier (EPD) sollte z.B. schon im Einsatz stehen. Aufgrund der vielfältigen Lösungen, die in der Schweiz zur Anwendung kommen, hat sich alles massiv verzögert. Auch bei den Programmen für die Impforganisation musste jeder Kanton etwas Eigenes entwickeln, statt dass man auf Erfahrungen anderer abgestellt und auch private Lösungen, die bereits funktionieren, beigezogen hätte. Im Alltag scheitert man aber auch am Widerstand der Beteiligten. So hatte sich die Ärzteschaft erfolgreich dagegen gewehrt, dass sie mit dem EPD arbeiten muss.
Du hast dich in der Frühlingssession für die schnelle Einführung des Impfpasses eingesetzt. Worum geht es da?
Zu Beginn des Jahres wurde deutlich, dass unsere Nachbarstaaten das Reisen davon abhängig machen, dass man geimpft ist und dies auch dokumentieren kann. Mir war es wichtig, dass die Schweiz nicht abgehängt wird. Gerade die Wirtschaft ist darauf angewiesen, dass Reisen wieder ohne Hindernisse möglich ist. Deshalb braucht auch die Schweiz ein international kompatibles, fälschungssicheres Dokument, das über eine Impfung oder einen negativen Test Auskunft gibt. Die Schweizerinnen und Schweizer erhalten damit ihre Freiheit wieder zurück.
Am 12. Juni stimmen wir über die kantonale Initiative «Raus aus der Prämienfalle» ab, wieso ist es wichtig, dass diese nicht angenommen wird.
Die Krankenkassenprämien für viele Familien zu einer erheblichen Belastung geworden. Was man sich aber zu wenig bewusst ist: hohe Krankenkassenprämien sind nur der Spiegel hoher Gesundheitskosten. Hier gilt es anzusetzen. Die Initiative betreibt stattdessen reine Symptombekämpfung und verteilt Geld mit der Giesskanne. Belastet werden am Schluss erneut die Steuerzahler.
Persönliche Fragen:
Du bist Direktorin der Zürcher Handelskammer, Politikerin und sitzt auch in diversen Gremien kultureller Institutionen. Wie schaffst du es, alles «auf die Reihe» zu bekommen?
An erster Stelle macht mir all das, was ich tue Freude. Ich habe ein spannendes, vielfältiges Leben. Politik ist mein Hobby. Aber natürlich ist es wichtig, sich gut zu organisieren, und dann habe ich auch tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mich unterstützen.
Welche gesellschaftlichen Themen beschäftigen dich ganz speziell?
Im Moment ist es die Altersvorsorge, wo wir grossen Handlungsbedarf haben: Sowohl in der AHV als auch in der beruflichen Vorsorge. Wir müssen jetzt Lösungen finden, damit diese Säulen stabil bleiben. In der Sommersession werden wir im Nationalrat die Revision der AHV diskutieren, die die FDP massgeblich mitgestaltet hat.
Welches sind die Werte, die dir persönlich am wichtigsten sind?
Verantwortung zu übernehmen: Selbstverantwortung, d.h. nicht gleich nach dem Staat rufen, wenn es mal schwierig wird, und Verantwortung für die Gesellschaft.
Wie schaffst du den Ausgleich zwischen Privatperson – Beruf und Politik
Ich schaue, dass es klare Grenzen gibt, das Private muss seinen – ungestörten – Platz haben. Ich kann gut auch einmal ein paar Tage keine Mails ansehen.
Gibt es ein Motto, welches dich durch dein Leben begleitet?
Man muss sich engagieren.
Regine Sauter
Steckbrief:
Regine Sauter lebt in Zürich, ist Direktorin der Zürcher Handelskammer und vertritt den Kanton Zürich seit 2015 im Nationalrat. Die Freizeit verbringt sie gerne mit Reisen, Wandern oder dem Besuch kultureller Veranstaltungen, insbesondere der Oper.