Wir erleben zurzeit einen Fachkräftemangel im handwerklichen Bereich. Grund dafür ist, dass die Berufslehre im Vergleich zur akademischen Ausbildung von den Eltern (und der Gesellschaft) als minder angesehen wird. Dabei sind es 80% der abgehenden Schülerinnen und Schüler, die eine Lehre machen. Sie stellen sicher, dass wir uns im Alltag über gute Qualität freuen dürfen – wer hat sich nicht schon gewundert, wie im Ausland teilweise das «Finish» aussieht…
Quälerei der Jugendlichen
Viele ausländische Familien kennen das Konzept der Berufslehre nicht aus ihrer Heimat, aber auch viele Schweizer Eltern meinen, die Universität sei der einzige Weg zum Erfolg. Entsprechend gross ist der Druck auf die Kinder: Privatstunden, Vorbereitung für die Aufnahme ans Gymnasium, Stress und Druck – im schlimmsten Fall «ein Knacks» für das ganze Leben. Hier wäre weniger eindeutig mehr.
Genial durchlässiges System
Was verkannt wird: Mit einer Berufslehre bleiben alle Türen offen! Wer will, kann später einen Fachhochschulabschluss machen. Fachleute mit Praxis sind – wen wundert’s – bei vielen Arbeitgebern sogar beliebter als Junge mit rein schulischer Ausbildung. Viele Innovationen entstehen in der Praxis und nicht in den Think-Tanks der Intellektuellen. Trotz Tesla, Edison und Co., ohne Glasbläserinnen, Giessern und vielen anderen handwerklich Tätigen würden wir noch heute im Dunkeln sitzen.
Pflegen wir, worum wir beneidet werden
Die Berufslehre bietet über 250 Berufe in 24 Branchen. Sogar die Amerikaner mit ihren 1000 Colleges kommen hierher, um das System der Berufslehre kennen zu lernen. Es einzuführen ist aber eine Kunst für sich: Bund, Kantone und allen voran das Gewerbe sorgen dafür, dass die Ausbildung à jour und die Jugendlichen vermittlungsfähig sind. Eine grossartige Leistung! Also nicht verzweifeln, wenn das Gymnasium nicht klappt: Das Handwerk hat immer noch goldenen Boden. Es ist sogar abzusehen, dass er immer goldener wird.
Tatjana Tankosic, Schulpflegerin Schulkreis Zürichberg