Was war deine ursprüngliche Motivation in die Politik «einzusteigen»?
Der Kampf für eine freiheitliche, marktwirtschaftliche Ordnung war schon damals mein wichtigster Antrieb – in einer Zeit, da hinter dem «eisernen Vorhang» der ordnungspolitische Gegenentwurf mit sozialistischer Repression und Planwirtschaft förmlich implodierte. Demokratie verlangt aber auch Engagement. Und ich mache grundsätzlich nicht gerne die «Faust im Sack».

Im Februar hast du dein Amt als Fraktionspräsident nach 4,5 Jahren abgegeben. Was waren deine Beweggründe?
Seit 2017 durfte ich die Fraktion durch sehr bewegte Zeiten führen: 3 Bundesratsnachwahlen, die Konstituierung der Fraktion und die Gesamterneuerungswahl des Bundesrates nach den Wahlen 2019, bald darauf die Corona-Pandemie – parallel haben uns bedeutende Themen wie die Altersvorsorge, die Beziehungen zur EU, die Unternehmenssteuerreform oder die Umwelt- und Klimapolitik intensiv beschäftigt. Ich wollte die Aufgabe abgeben, solange es mir noch richtig Freude macht – und habe wirklich auch mit einem weinenden Auge aufgehört.

Sicher gibt es auch ein lachendes Auge? Wo liegt zukünftig dein politischer Fokus?
In den kommenden Jahren will ich mehr Zeit in die politische Arbeit v.a. in den wirtschaftspolitischen Dossiers investieren. Die Erhaltung unseres Wohlstandes ist alles andere als ein Selbstläufer – v.a. die grossen Staaten fahren immer ungenierter «die Ellenbogen» aus. Als Mitglied der «Kommission für Wirtschaft und Abgaben» beschäftigt mich das sehr: Wir müssen attraktiv bleiben für Unternehmen, die hier investieren, Arbeitsplätze schaffen und Steuern zahlen. Als kleines Land müssen wir mit offenen Märkten punkten, mit funktionierenden Institutionen und Rechtssicherheit, mit einer stabilen Währung, einem erstklassigen Bildungssystem und auch mit einer hohen Lebensqualität – aber auch mit einer vernünftigen Steuer- und Abgabenlast. Aber diese Faktoren müssen im schärfer werdenden Standortwettbewerb aktiv gepflegt werden. Entscheidend ist ein erstklassiges Kosten-/Nutzenverhältnis.

Wie schaffen wir es mehr «junge» Menschen für die Politik zu begeistern?
Mit den jungen Menschen sollten wir gezielt eine Debatte über ihre langfristigen Perspektiven lostreten. Gerade die Jungen brauchen freiheitliche Rahmenbedingungen, um ihr Leben selbst gestalten zu können. Die langfristige Perspektive ist auch ein wichtiger Teil der Nachhaltigkeit. In der Altersvorsorge z.B. können wir die Jungen nicht zum lebenslangen Zahlen verdonnern – um sie dann vor einem Schuldenberg und mit leeren Rentenversprechen stehen zu lassen. Ganz grundsätzlich müssen wir daran erinnern, dass der Wohlstand nicht an den Bäumen wächst, dass attraktive Arbeitsplätze mit guten Löhnen nur durch Investitionen erhalten bleiben – und dass es sich auch lohnen soll, sich «reinzuhängen».

Was müssen wir als Partei tun, damit das liberale Feuer wieder richtig lodert?
Das liberale Vertrauen in den urteilsfähigen und verantwortlichen Menschen ist doch eine positive Botschaft. Es mag manchmal auch anstrengend sein, aber sicher weniger deprimierend als die linke – und häufig auch konservative – Sicht auf die Menschen als hilflose Objekte, die vom Staat vor sich selbst geschützt und durchs Leben geführt werden müssen. Es ist dieses freiheitliche Lebensgefühl, das wir konsequent ansprechen müssen, auch wenn wir die Sorgen der Menschen aufgreifen. Gerade auf die grossen Fragen wie Arbeitsplatz- und Rentensicherheit oder Umwelt- und Klimaschutz sind Antworten nur dann nachhaltig, wenn sie auch gesellschaftlich getragen sind, und nicht nur staatlich vorgeschrieben.

Wie wichtig ist dir die «work life balance» und was tust du dafür?
Wichtig – ich kann v.a. mit der Familie, und draussen in der Natur gut abschalten.

Welche gesellschaftlichen Themen beschäftigen dich persönlich ganz speziell?
Die demographische Entwicklung.

Welches sind die Werte, die dir am wichtigsten sind?
Respekt. Und natürlich Freiheit, Gemeinsinn und Fortschritt…

Gibt es ein Motto, welches dich durch dein Leben begleitet?
Eigentlich nicht – ich bin einfach gerne mit offenen Augen unterwegs!

Steckbrief:
Beat Walti (1968, Zollikon); Nationalrat seit 2014 (Fraktionspräsident 2017 bis 2022). Kantonsrat 1999 – 2013 (Fraktionspräsident von 2005 bis 2008), von 2008 bis 2016 Präsident der FDP Kanton Zürich. Rechtsanwalt in Zürich; verheiratet, zwei Kinder.