Nach 19 Jahren im Kantonsrat hattest du am 7. März deine letzte Kantonsratssitzung. Wie geht es dir?
Es geht mir bestens, danke der Nachfrage (lacht). Die Vermutung hat sich bewahrheitet, dass es auch ein Leben nach dem Kantonsrat gibt. Es ist erstaunlich, wie rasch sich aus dem Bewusstsein verabschiedet, dass man 19 Jahre lang jeweils montags einen Fixpunkt im Kantonsrat hatte. Mir war immer klar, dass man sich in einem Mikrokosmos bewegt – das war während Jahrzehnten bei mir der Fall. Aber kaum ist man ausserhalb der Blase, realisiert man noch verstärkt, dass es ausserhalb der „Bubble“ leider kaum jemanden interessiert, was innerhalb der Bubble passiert – zumindest auf Stufe Kanton. Das ist schade, denn die politische Arbeit ist wichtig.
Du kannst auf eine sehr lange und erfolgreiche politische Laufbahn zurückblicken. Welcher war einer der grössten Erfolgsmomente oder Glücksmomente?
Die 11 Jahre Tätigkeit als Fraktionspräsident im Kantonsrat haben mir enorm Freude gemacht. Ein Highlight war sicher der Zugewinn von 8 Sitzen 2015. Persönlich war sicher auch die Nomination als Regierungsratskandidat eine Freude, weil das Vertrauen in mich eine grosse Ehre war. Dass die damalige einmalige politische Grosswetterlage die Wahl verunmöglicht hat, schmerzt mich auch für die Partei noch immer. Und dann gibt es natürlich noch eine Reihe von erfolgreichen Vorstössen, über die ich mich freue wie z.B. das Wiederbeleben des Polizei- und Justizzentrums, die Schaffung eines gemeinsamen kriminaltechnischen Instituts nach Jahren des Streits zwischen Stadt und Kanton oder das vollständige Freimachen des Kasernenareals zugunsten einer anderen Nutzung.
Du hast vor 31 Jahren die Jungliberalen in Illnau-Effretikon aufgebaut. Wieso bist du nicht einer anderen Partei beigetreten?
Interessanterweise stand für mich nie eine andere Partei überhaupt zur Diskussion – es muss das liberale Gen sein. Ich war bereits Mitglied in der FDP bevor ich mit 19 Jahren die Jungliberalen Illnau-Effretikon gegründet habe – die übrigens über dreissig Jahre später noch immer existieren und seit 1994 im Stadtparlament vertreten sind – teils mit drei Sitzen und einem Stadtrat – und einmal gar mit einem höheren Wähleranteil als die FDP. Sowohl Stadtpräsident Marco Nuzzi als auch Finanzvorstand Philipp Wespi waren Nachfolger von mir als JLIE-Präsidenten. Also ein perfektes Aufzuchtbecken (lacht).
Wie schaffen wir es mehr «junge», engagierte Menschen, für die Politik zu begeistern?
Junge Menschen wollen die Relevanz der politischen Arbeit für ihr konkretes Leben sehen. Dafür müssen wir mehr erklären und herleiten. Formulierungen wie „Wir stehen ein für gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft“ holen keinen Jungen hinter dem Ofen hervor. Man muss ihn an der Standaktion fragen, ob er gerne im Kanton Zürich lebt. Und falls er bejaht, fragen, weshalb. Und wer denn die Schulen, Spitäler, Strassen, die Sicherheit bezahlt. Und woher denn der Kanton das Geld dafür hat. Von den Steuern, richtig. Und wer zahlt diese? Wir alle. Und wovon? Vom Lohn. Und wer zahlt den Lohn? Die Firma. Eben: Und wir sind diejenigen, die schauen, dass es dieser gut geht. Das wird verstanden.
Was wünschst du dir für den Freisinn?
Antwort: Dass wir weniger Energie verlieren durch Beschäftigung mit uns selbst – mehr Vertrauen in die Arbeit der eigenen Leute statt der dauernden Suche nach dem Haar in der Suppe. Der Kampf fürs Liberale ist fordernd genug und darauf ist zu fokussieren.
Was machst du jetzt mit der vielen neu dazugewonnenen Zeit?
Antwort: Leider ist da keine. Die Lücke hat sich in dem Moment gefüllt, als sie aufgegangen ist. Ich habe einen spannenden Beruf und zahlreiche lässige Mandate u.a. als Verwaltungsrat, Stiftungsrat, oder Vereinspräsident. Ich bin sehr gut ausgefüllt. Zudem liebe ich das Gesellige, Jazzkonzerte mit meiner Frau und natürlich Zeit mit Familie und Freunden.
Gibt es ein Motto, welches dich durch dein Leben begleitet?
Antwort: Sorry für die etwas unfeine Formulierung, aber das Motto lautet nun mal so:
„Every kick in the ass is a step foreward.“
Steckbrief:
Thomas Vogel war von 2003 bis 2022 Mitglied des Zürcher Kantonsrats und war von 2008 bis 2019 Präsident der FDP-Kantonsratsfraktion.
Seit 1989 Mitglied der FDP, gründete er 1991 die Jungliberalen Illnau-Effretikon. 1994 wurde er mit 22 Jahren ins Stadtparlament von Illnau-Effretikon gewählt, das er 2001/2002 präsidierte und dem er bis 2008 angehörte. 2003 erfolgte die Wahl in den Kantonsrat mit viermaliger Wiederwahl. U.a. war Thomas Vogel Mitglied der Geschäftsleitung des Kantonsrates. Thomas Vogel ist beruflich als stv. Generalsekretär des Obergerichts des Kantons Zürich tätig und hält verschiedene Mandate, u.a. ist er Vizepräsident der FDP des Kantons Zürich, weiter ist er z.B. Vizepräsident des Stiftungsrates der Eleonorenstiftung (Trägerin des Universitäts-Kinderspitals Zürich), Stiftungsrat der Zürcher Rehazentren und Präsident des Zurich Jazz Orchestra sowie des Vereins Zunfthaus zum Weggen. Weiter ist er Verwaltungsrat der ViciMed AG. Er ist Ehrenmitglied der Jungfreisinnigen Kanton Zürich und der FDP Bezirk Pfäffikon.