Die FDP International trägt die Aussensicht auf die Schweiz in die FDP und die Schweizer Politik. Immer wieder erfahren wir, dass der Stand der Digitalisierung in vielen Wohnsitzländern unserer Mitglieder weiter fortgeschritten ist als in der Schweiz. Das zeigt, dass die Digitalisierung stärker vorangetrieben werden muss.

Die elektronische Wohnsitzanmeldung mit der E-ID in Deutschland, Online-Abwicklung von Import- und Export-Geschäften in Kanada, das eigene umfassende elektronische Patientendossier in der Türkei, das Telefon als Bankkonto in Sambia – die Beispiele für digitale Anwendungen in anderen Ländern sind endlos. In mindestens zwei Dutzend Ländern gibt es eigentliche Ministerien für Digitalisierung gibt. Zehn davon sind in einem Forum «Digital Nations» zusammengeschlossen, haben gemeinsame Prinzipien, Standards und «best practices» festgelegt und unterstützen sich gegenseitig bei neuen Entwicklungen.

In der Schweiz sehen wir durchaus Anstrengungen und Fortschritte. Erst kürzlich sprach sich der Nationalrat für das Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben aus. Davon würden auf jeden Fall die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer profitieren. E-Voting ist ein zentrales Anliegen, um bei Abstimmungen und Wahlen die politischen Rechte wahrzunehmen, eine E-ID ist Voraussetzung für den Verkehr mit Behörden. Es sind aber auch die unzähligen Schweizer Firmen im Ausland, denen digitale Lösungen ihre Abläufe vereinfachen könnten. Und nicht zuletzt sind in einem modernen und innovativen Land wie der Schweiz gedruckte Formulare und Behördengänge ein Anachronismus.

Woran liegt es?

Während sich weltweit Nationen zusammen auf Standards einigen, haben wir in der kleinen Schweiz 26 Lösungen, im besten Fall wenigstens kompatibel. Unser Föderalismus ist wertvoll, wenn es darum geht, regionale Besonderheiten in der Politik abzubilden und das Prinzip der Subsidiarität zu leben, aber bei umfassenden Entwicklungen und Projekten müssten Lösungen auf Bundesebene gesucht werden.

Wir haben für fast alle Vorgänge gut entwickelte und erprobte nicht-digitale Lösungen – und Altbekanntes gibt man nicht gerne auf. Aus diesem Grund haben oft genannte Länder wie Estland und Uruguay die Nase vorn. Sie haben den Schritt über funktionierende Verwaltungen übersprungen und sind gleich ins digitale Zeitalter eingestiegen. In der Bevölkerung herrscht Skepsis gegenüber digitalen Lösungen, Datenschutz ist zentral – auch wenn man gleichzeitig fast alles von sich preisgibt über Apps, Social Media, Fitness Trackers usw. In anderen Kulturen sind solche Vorbehalte weniger präsent, was auch zu nach unserem Verständnis nicht nachahmenswerten Entwicklungen führt, zum Beispiel China.

Mehr Effizienz, tiefere Kosten

In sämtlichen Departementen gibt es grosses Potenzial für Vereinfachungen, höhere Effizienz und tiefere Kosten. Im BAG versucht man Defizite abzubauen, die während der Pandemie deutlich geworden sind. Wirklich erfolgreich scheinen die Anstrengungen bisher nicht, wie auch der ehemalige Digitalisierungschef des BAG in einem Interview im Tagesanzeiger anprangert.
Dass im VBS endlos Millionen in verschiedenen abgebrochenen Projekten versickert sind, ist hinlänglich bekannt.
Das EDA ist auf gutem Weg, die Administration in der konsularischen Betreuung zu vereinfachen.
Ähnlich wie die Koordination zum Teil in den Kantonen fehlt, sind auch die verschiedenen Departemente unterschiedlich unterwegs. Was fehlt ist eine Vision und übergeordnete Strategie wie zum Beispiel in Kanada: «Government in a digital age – Working on tomorrow’s Canada, today.»

Helen Freiermuth, Präsidentin FDP International