Durchschnittlich sind heute fast drei Viertel eines Gemeindebudgets durch kantonale Vorgaben gebunden. Die Gestaltungskraft sinkt, doch nun will der Zürcher Regierungsrat den Gemeinden einen Teil der Grundstückgewinnsteuer abringen.
Die Grundstückgewinnsteuer ist für viele Zürcher Gemeinden eine wichtige Einnahmequelle. Sie fällt an, wenn jemand eine Immobilie mit Gewinn verkauft. In Thalwil zum Beispiel ist diese Steuer sehr substanziell: Sie macht im Durchschnitt rund 10 bis 15 Prozent der gesamten Gemeindeeinnahmen aus.
Bisher verblieben diese Einnahmen bei den Gemeinden. Doch die attraktive Einnahmequelle weckt Begehrlichkeiten: Der Zürcher Regierungsrat möchte, dass künftig ein Viertel dieser Einnahmen an den Kanton überwiesen werden muss. Begründet wird dies mit dem Bedarf an zusätzlichen Mitteln für Infrastrukturprojekte. Doch ist das wirklich nötig?
Kanton soll Reserven nutzen
Der Kanton Zürich hat in den letzten fünf Jahren Überschüsse von insgesamt 2,5 Milliarden Franken erwirtschaftet. Wäre es nicht sinnvoller, diese Reserven zu nutzen, statt die Gemeinden zusätzlich zu belasten? Für die Gemeinden sind die Erträge aus der Grundstückgewinnsteuer wichtig. Sie müssen zahlreiche Aufgaben erfüllen, die ihnen der Kanton zwingend vorschreibt – und sie haben entsprechend nur noch wenig Spielraum, ihre Ausgaben zu senken: Fast drei Viertel eines Gemeindebudgets sind durchschnittlich durch kantonale Vorgaben festgelegt.
Besonders deutlich zeigt sich dies im Bildungsbereich. Dort sind die Lohnkosten der grösste Faktor. Doch auch diese werden weitgehend vom Kanton bestimmt. Er legt das Schulmodell fest, die daraus abgeleiteten Unterrichtsstunden sowie den dafür nötigen Stellenbedarf an Lehrkräften und Sonderpädagogen. Für den Mittagstisch und die ausserschulische Betreuung gibt es einen vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel. Die Lohnstruktur sowie die jährlichen Lohnerhöhungen für das ganze Personal werden nach den Vorgaben des Kantons festgelegt. Das Resultat all dieser Vorgaben: Die Kosten für die Gemeinden steigen kontinuierlich.
So auch in Thalwil: In den letzten zehn Jahren sind die Bildungsausgaben pro Kopf um 38 Prozent gestiegen, während die nach dem Ressourcenausgleich bereinigte Steuerkraft pro Kopf nur um 23 Prozent zunahm. Im Klartext heisst dies, dass die Einnahmen aus den ordentlichen Steuern mit dieser von oben verordneten Kostenentwicklung nicht mehr Schritt halten können.
Daneben wurde den Gemeinden in vielen weiteren Bereichen wichtiger Spielraum genommen, etwa im Sozial-, im Pflege- und im Asylwesen. In all diesen Bereichen müssen die Gemeinden zwingend die Finanzierung sicherstellen. Und um mit dem Kostendruck umzugehen, bleiben ihnen – von einer zusätzlichen Verschuldung abgesehen – nur drei Möglichkeiten:
Föderales Verständnis wahren
- Die erste Möglichkeit sind Sparmassnahmen, dies zulasten von Bereichen, die nicht vom Kanton bestimmt werden, das betrifft etwa die Altersbetreuung, die Jugendarbeit, die Nachbarschaftshilfe, der günstige Wohnungsbau, die Kultur oder Sport- und Freizeitangebote.
- Die zweite Möglichkeit sind Steuererhöhungen, was aber die Bevölkerung und das Gewerbe substanziell zusätzlich belasten würde.
- Die dritte Möglichkeit ist die Nutzung der ganzen Grundstückgewinnsteuer – um die überall steigenden Kosten zumindest abzufedern.
Diese dritte Möglichkeit ist eindeutig die nachhaltigste: Sie sichert die Erfüllung wichtiger Staatsaufgaben, darunter die den Gemeinden aufgezwungenen Aufgaben von Bund und Kanton. Und vor allem: Sie erlaubt eine gesunde gesellschaftliche Entwicklung nach bestem föderalem Verständnis – so, wie sie in all den 1.-August-Reden gerne bemüht wird, faktisch aber das ganze Jahr über gelebt werden sollte.
Thomas Henauer
Gemeinderat und Finanzvorstand von FDP-Thalwil